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Mutiger für den Frieden einstehen

Religionsgemeinschaften sollen ihr Friedenspotenzial wahrnehmen und sich als bedeutende Akteure weltweit aktiv für Frieden einsetzen – für diese selbstkritisch-mutige Haltung votierten die prominenten Podiumsgäste an der Debatte zur Friedensverantwortung der Religionen.
Zum Anlass am Donnerstag, 22. März, im Hirschengraben 50 hatte der Dachverband  „plusbildung – Ökumenische Bildungslandschaft Schweiz“ geladen, dessen Präsident Walter Lüssi die thematisch vielfältige Debatte moderierte.

„Religion kann konfliktverschärfend wirken – Religion ist erfolgreicher Friedensstifter.“ Diese Ambiguität führte Silke Lechner in ihrem Impulsreferat mittels pointierten Thesen vor Augen. Kriege hätten meist mehrere Ursachen und über das Friedenspotenzial von Kirchen werde wenig gesprochen, sagte die stellvertretende Leiterin des Arbeitsstabes Friedensverantwortung der Religionen im Auswärtigen Amt in Berlin. Ihr Arbeitsstab setzt daher auf das friedenspolitische Potenzial von Religionsgemeinschaften weltweit und ist bestrebt, ein Netzwerk geeigneter Religionsvertreter aufzubauen, die sich aktiv für Frieden einsetzen. Denn diese seien stark vernetzte, vertrauenswürdige Schlüsselpersonen, was Handlungsoptionen ergebe, die erst in jüngerer Zeit erkannt würden, sagte sie. Gerade das Mitwirken international vernetzter religiöser Akteure werde von politischer Seite verstärkt nachgefragt, so die einstige Studienleiterin des Deutschen Evangelischen Kirchentages.

Auch Regierungsrätin Jacqueline Fehr hielt fest, dass Religion als Partnerin des Staates Aufgaben erfülle, die dieser nicht wahrnehmen könne. Sie hob hervor, dass sich die Kirchen in der Friedensarbeit engagierten und etwa bei der Integration eine wichtige Rolle spielten; andererseits wirke der religionsimmanente absolute Wahrheitsanspruch stets ausgrenzend. Mit Kirchenratspräsident Michel Müller teilte sie das Ansinnen, religiöse Themen im politischen Diskurs zu enttabuisieren und auf staatlicher Seite die Sprachfähigkeit in religiösen Belangen zu fördern. Insbesondere der Bund sei diesbezüglich in die Pflicht zu nehmen, forderte Michel Müller.

Der anwesende Bundesvertreter hielt mit den jüngeren Bestrebungen des EDA dagegen, „neue Aspekte der Friedensförderung“ zu pflegen. Für einen neutralen Ansatz im Umgang mit religiösen Akteuren habe die Schweiz eine geeignete, da von Pragmatismus geprägte Kultur, sagte Jean-Nicolas Bitter, Theologe und Senior Advisor sowie Leiter des Arbeitsbereichs „Religion, Politik, Konflikt“ in der Abteilung Menschliche Sicherheit des EDA. Er hält es für zentral, Gewaltkonflikte zu erkennen und in nicht-gewalttätige Konflikte zu transformieren, die verbal angegangen werden könnten.

Für konkrete Friedenseinsätze warb Thomas Wipf, Präsident European Interreligious Council of Religious Leaders ECRL. Die Welt stehe vor grossen Herausforderungen, die nur unter Zusammenarbeit aller Beteiligter angegangen werden könnten, sagte Wipf und erwähnte namentlich den Einsatz gegen Atomwaffen und für ökologische Nachhaltigkeit. Zuvor jedoch müssten Religionsvertreter ihre Hausaufgaben machen, was bedeute, sich von der ideologisch-vereinnahmenden Prägung von Religion zu lösen und das Friedenspotenzial der Religionen selber erst einmal zu entdecken. Erst dann seien sie bereit, als Partner der politisch Verantwortlichen zu agieren. Noch immer gebe es hierzulande Berührungsängste gegenüber der Frage, was Religion zum Frieden und zur Kohäsion der Gesellschaft beitragen könne. Und ausserhalb des schützenden Schweizer Rechtssystems sei die eigentlich hoch notwendige Friedensarbeit „Knochenarbeit“.

Zuspruch erhielt Thomas Wipf von Seiten der Regierungsrätin. Ja, die Religionen sollten sich in den politischen Diskurs einbringen, sagte Jacqueline Fehr. Und auch Silke Lechner appellierte zum Schluss an die rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich als „zentrale Akteure“ in der Gesellschaft zu sehen und dabei die internationale Perspektive und Vernetzung im Blick zu behalten. „Ihre Partner im Ausland schätzen Ihr Wirken“, gab sie den Anwesenden als Anregung mit in den Apero.

Madeleine Stäubli-Roduner
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Thesen der Referentin Dr. Silke Lechner

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